Hormone, Hormon-Therapie & Hormon-ersatztherapie – wo sind die Unterschiede?
Laufen unsere Hormone rund, fühlen wir uns wohl. Wenn nicht, dann läuft einiges aus dem Ruder. Diese kleinen, schlauen Boten des Körpers, mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, sie halten unendlich viele Körpervorgänge am Laufen. Ihre Lebenszeit ist kurz, das dient der feinen Abstimmung der Nachrichtenübermittlung im Körper.
Das Spannende ist, auch wenn die Hormone jedes für sich immer die gleiche chemische Struktur haben, so können sie doch verschiedene Nachrichten überbringen. Was für eine Botschaft ankommt, liegt nicht nur im Hormon, sondern auch im Rezeptor, der Andockstelle. Frau könnte auch sagen, das Schlüsselloch für den Schlüssel, der wunderbarerweise verschiedene Türchen im Körper öffnen kann.

Bioidentische Hormone können aus Yams hergestellt werden
Hormone, Hormon-therapie & Hormon-ersatztherapie – wo sind die Unterschiede.
Manchmal ist es einfach: Wurde einer Frau die Schilddrüse entfernt, zum Beispiel wegen bösartigen Knoten, dann fehlt diese endokrine Drüse. So nennen wir ein Organ, das Hormone produziert. Dann braucht die Patientin lebenslang Tabletten mit Schilddrüsenhormonen, damit bestimmte Körpervorgänge funktionieren. Ein klarer Fall von Hormonersatztherapie; das, was der Körper nicht mehr herstellt, das muss ersetzt werden. Wieviel, das bestimmen wir zum einen über Laborwerte als Richtschnur, viel hängt aber auch vom Wohlbefinden der Frau ab. Oft ist es eine Hassliebe: keine von uns nimmt gerne dauerhaft Medikamente ein, es kann nerven, wir fühlen uns kränker ohne und dann futtern wir die Dinger doch. Die Schilddrüse wächst nicht nach, Schilddrüsentabletten mit Levothyroxin und Liothyronin können ein echter Segen sein.
Hormontherapie ist eine andere Sache: hier geben wir Hormone für einen bestimmten Zweck und nicht notwendigerweise dauerhaft. Der Körper produziert Hormone, selber, aber vielleicht nicht genug. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion mit einem TSH über 2,5 mIE/l kommen häufiger Fehlgeburten vor[i]. Dabei haben die Frauen oft keinerlei Beschwerden. Ein erhöhter Laborwert ist oft nicht zu spüren. Ein gut verträgliches und auch noch kostengünstiges Medikament wie L-Thyronin in einer niedrigen Dosierung meist 25µg oder 50µg ist eine Möglichkeit, die Rate an Fehlgeburten zu normalisieren. Ist das Kind geboren, ist das Medikament in fast allen Fällen nicht mehr nötig. Natürlich sollte bei einer Schilddrüsenunterfunktion der Körper, alle Nährstoffe haben, um selbst Schilddrüsenhormone zu bilden. Fehlen Jod, sowie Zink, Selen und andere Stoffe, dann kann die Schilddrüse einfach nicht so arbeiten, wie sie es müsste.
Hormone & Hormon-ersatztherapie – in Sachen Wechseljahre ist es eine Frage der Philosophie
Hormone und vorzeitige Wechseljahre
Eine Hormonersatztherapie schlagen wir Ärztinnen auch vor, wenn eine Frau vorzeitig in die Wechseljahre kommt. Vor dem 40. Lebensjahr keine Menstruation mehr oder sehr unregelmäßige Zyklen können Stress bedingt sein oder andere konkrete Ursachen haben. Diese sollten erstmal behandelt werden. Handelt es sich um echte vorzeitige Wechseljahre, dann ist eine Hormonersatztherapie bis zum Alter der natürlichen Wechseljahre aus verschiedenen Gründen ratsam. Östrogene helfen uns in jungen Jahren ausreichend Knochenmasse aufzubauen, von der wir dann im Alter zehren. Lange Phasen mit weniger als 4 Menstruationen im Jahr können den Knochenaufbau hemmen und später zu Osteoporose führen. Bewegung, vor allem Sport mit Muskelzug auf den Knochen (Krafttraining) und eine Ernährung die ausreichend Kalzium und andere Knochenbaustoffe enthält, ist ebenfalls wichtig. Vor dem 40. Lebensjahr raten wir zum Knochenschutz zu einer Hormonersatztherapie. Das heißt, eine Therapie, die das ersetzt, was normalerweise vorhanden wäre. Hormonersatztherapie vor dem eigentlichen Alter der Wechseljahre kann
- zyklisch sein, das heißt, die Hormone Östrogen und Progesteron werden so gegeben, dass ein natürlicher Zyklus nachgeahmt wird. Dabei wird eine Menstruation hervorgerufen oder nachgemacht, je nach Wahl des Behandlungsschemas.
- kontinuierlich, das bedeutet, dass die Hormone Östrogen und Progesteron dauerhaft zusammen gegeben werden. Also jeden Tag etwas von beidem. Damit gibt es keine monatliche Blutung.
Die Frage ist, worauf zielen wir mit der Therapie ab, auf den Schutz von Knochen und weitere Prophylaxe von Erkrankungen oder auf einen Erhalt der Gebärfähigkeit. Ich fand einen Bericht in der internationalen Hormongesellschaft vor einigen Jahren sehr interessant. Dabei wurde ein zyklisches Behandlungsschema bei Frauen mit nachgewiesenen vorzeitigen Wechseljahren gegeben, eigentlich um die Patientinnen für eine spätere Schwangerschaft mit Eizellspende vorzubereiten. Die Forscherinnen waren erstaunt, dass bis zu 15% der Patientinnen unter der Behandlung spontan schwanger geworden sind[ii].
Hormone und echte Wechseljahre
Mich ärgert es immer, wenn in Bezug auf die Wechseljahre zur rechten Zeit, so ab Mitte 40 immer von “Hormon-Ersatztherapie” gesprochen wird. Das bedeutet, dass ein absinkender Spiegel von Progesteron und Östrogen ein Mangel und ein Fehler sind. Da fehlt etwas, das muss ersetzt werden. Das bedeutet, wenn wir es genau nehmen, dass alle Frauen vor der Pubertät und nach dem Wechsel defekt und mangelhaft sind. Frech behauptet sage ich:
“Wenn Östrogenmangel eine Krankheit ist,
dann erklärt das, warum Männer so komisch sind”
Nun, Sie dürfen gerne maulen: Männer sind nicht per se komisch. Aber dieser Spruch verdeutlicht, wie ich den Wechsel sehe. Ein Lebensalter von Frauen, das nicht von Fruchtbarkeit und hohen Östrogen- sowie Progesteronspiegeln im Blut gekennzeichnet ist. Diese Zeit hat seinen eigenen Wert und positive Eigenschaften. In der Anthropologie gibt es die Großmutterhypothese[iii], die besagt, dass evolutionär gesehen, die Wechseljahre ein echtes Geschenk sind. Das Vorhandensein von Frauen, die nicht gerade schwanger sind, stillen oder kleine Kinder zu versorgen haben, hat uns als Menschheit erst viele kulturelle Errungenschaften ermöglicht.
In den Medien werden die Wechseljahre gerne als der Anfang vom Ende dargestellt: Wir können uns nicht mehr konzentrieren, werden alt, unattraktiv, und spätestens mit 60 Jahren zerbröseln unsere Knochen. Ich habe über Jahre in meiner Praxis viele Frauen gesehen, die mit den Wechseljahren nochmal neu durchgestartet sind. Eine neue Ausbildung oder Fortbildungen, um beruflich nochmal voranzukommen oder umzusatteln. Aktiv werden in der Lokalpolitik oder ein neues kreatives Hobby. Ein Ende der Östrogenvergiftung, wie es manche Wissenschaftlerinnen beschreiben. Östrogene und andere Hormone verändern unsere Wahrnehmung. Unter Östrogeneinfluss sind viele Frauen bereit, von ihren eigenen Bedürfnissen abzusehen und sich anderen zu widmen. Gerade wenn unsere Kinder noch klein sind, dann ist dies nötig: Erste Zähne, Kinderkrankheiten, Schulaufgaben… junge Mütter müssen viel Zeit und Energie auf ihre Kinder aufwenden. Mit dem Wechsel heißt es dann oft: jetzt lasse ich mir nicht mehr die Butter vom Brot nehmen. Nun bin ich mal dran.
Die Realität ist, dass nach den eigentlichen Wechseljahren, der hormonellen Umstellung, oft zwanzig Jahre recht stabiler Gesundheit folgen. Dann erst kommen früher oder oft auch später die Erscheinungen des Alters.
Wann brauchen wir Hormone in den Wechseljahren
Dann, wenn Beschwerden so stark sind, dass Heilpflanzen oder andere naturheilkundliche Therapien nicht ausreichend wirken. Dabei gilt: so wenig wie möglich, so kurz wie nötig. Eine Hormonersatztherapie als solche, das lehne ich ab. Natürlich kann es sinnvoll sein, etwa bei hohem familiärem Osteoporose-Risiko zu überlegen, ob eine niedrig dosierte Hormontherapie für einen bestimmten Zeitrahmen sinnvoll sein kann. Zusätzlich zu Ernährung und Bewegung. Dabei haben wir verschiedene Möglichkeiten:
- bioidentische Hormone, das heißt Hormone, die chemisch genau so aufgebaut sind, wie unsere weibliche Biologie sie selbst herstellt. Progesteron kann beispielsweise aus der Yamswurzel (Diosgenin) oder aus Soja mit Hilfe einiger chemischer Vorgänge hergestellt werden. Unser Körper kann dies nicht.
- natürliche Hormone, die in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in Mode waren, zum Beispiel “Premarin” aus Stutenurin. Nun, die Quelle mag natürlich sein, aber inwieweit die Ausscheidungsprodukte von Vierbeinern natürlich für Zweibeiner sind, ist zu bezweifeln. Diese Hormone sind auf Grund des erhöhten Brustkrebsrisikos, häufiger Schlaganfälle und Herzinfarkte und anderer Nebenwirkungen nicht mehr üblich.
- synthetische Hormone, das sind hormonaktive Substanzen, die chemisch unseren Hormonen ähneln aber nicht gleich sind. Das Wirkspektrum ist oft etwas anders, dies kann bei der Behandlung von Beschwerden ein echter Vorteil sein. Zum Beispiel, wenn unter bioidentischem Östrogen starkes Brustspannen auftritt.
Heute werden bioidentische Hormone zur Hormontherapie bevorzugt. Besonders, wenn Östrogene über die Haut gegeben werden, als Creme, Gel, Spray oder Pflaster gelangen diese direkt ins Blut. Tabletten und Kapseln zum Schlucken müssen vom Magen-Darm-Trakt erst über die Leber, bevor sie ins Blut gelangen. Dabei wird durch Östrogene in der Leber die Produktion von Gerinnungsfaktoren angeregt und das Risiko von Thrombosen steigt. Außerdem werden bei der Leberpassage bereits ein Teil der Östrogene und auch vom Progesteron abgebaut. Daher muss die Dosis höher sein. Wird der Weg über die Haut genommen, kommen wir mit geringen Mengen aus, um die Beschwerden zu lindern. Da die Reaktion von Frauen auf Hormone individuell unterschiedlich sein kann, sollte das Präparat und die Anwendungsdauer immer mit der Frauenärztin besprochen werden. Weniger ist oft mehr.
Ich wünsche Ihnen einen gesunden Tag
Ihre Dr. Dorothee Struck
Wie kann ich Ihnen bei “Hormonsalat” helfen?
Sie können zum Beispiel eine Online- Konsultation oder Beratung zur zweiten Meinung buchen
Oder meine „FrauenKlasse Wechseljahre“* im Oktober 2023 besuchen, der genaue Termin wird über den Newsletter bekannt gegeben.
Hypnose, Heilpflanzen & Hormone

Von Dr. med. Dorothee Struck
*FrauenKlassen sind kurze, knackige Online-Kurse, für einen Abend. Eigentlich eine MasterClass, aber sind wir Frauen denn „Master“?
[i] Professor Michael Ludwig hat dieses Thema mehrfach in seinem Endokrinologie-Blog aufgenommen
[ii] Prof. Svetlana Vujovic, Vortrag auf dem ISGE-Kongress 2022 und letztlich in einem sehr spannenden Webinar der ISGE
[iii] Großmutter Hypothese auf Wikipedia und ganz wunderbar erklärt von Nathalie Angier, wenn Sie Englisch sprechen, die englische Original-Ausgabe ist überarbeitet worden. Die neue Auflage wurde aber nie ins Deutsche übersetzt.
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Auf Grund des Heilmittel-Werbe-Gesetzes geben wir hier keine konkreten Empfehlungen für Präparate und Dosierungen, bitte fragen Sie in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke. Dosierungs-Anleitungen und konkrete Teerezepte bekommen Sie daher nur, wenn Sie Patientin bei mir sind. Oder als Kollegin, Hebamme, Heilpraktikerin über meine Fachkurse.
*Ich schreibe in der weiblichen Form, da ich selber eine Frau bin und aus Sicht einer Frau im Gesundheitssystem heraus agiere. Da ich noch keine lesefreundliche Form gefunden habe, meine ich explizit alle anderen Geschlechter ebenfalls mit dieser Ansprache.