Heilpflanzen sind “in”, aber das reicht nicht!
Ich liebe Heilpflanzen, sie können fantastisch sein. Aber dazu braucht man ein paar Grundkenntnisse in Botanik und in der Anwendung!
Vor einiger Zeit bat mich eine Journalistin um ein Gutachten über eine neue Firma mit einer sehr stylischen Website, die Heilkräutertees speziell für Frauen anbot. Sie sollte darüber einen Artikel für ein Gründerinnen-Magazin schreiben. Bevor sie mit dem Schreiben anfange, brauche sie einen Background-Check einer Fachfrau.
“OK, ich kann nur stichprobenartig recherchieren, ich werde nicht alles überprüfen”, antwortete ich. Und mailte knapp 20 Minuten später eine sehr böse Kritik, die ich hier nicht wörtlich wiederholen werde. Ich merkte wieder: Heilpflanzen sind hip und in, zurück zur Natur ist Trend. Nur die Begeisterung für das „Grüne“, das draußen wächst, schadet der Phytotherapie als ernstzunehmender Behandlungsform, wenn die Sorgfalt fehlt.

Solidago virgaurea, die echte Goldrute
Heilpflanzen aber richtig!
Mehr Schein als Sein – Hübsch anzusehen ist keine echte Phytotherapie!
Ich hätte nicht gedacht, dass eine professionell gestaltete Website wegen schlechter Inhalte innerhalb von 2 Minuten durchfällt. Gleich zu Beginn das Angebot für die kalte Jahreszeit: Tee gegen Blasenentzündung. Der Tee enthält Goldrute, nur leider keine Angabe, welche Goldrute. Es gibt 3 Arten: die teure, kleine, echte Goldrute (Solidago virgaurea), die wirklich bei Blasenentzündungen hilft. Solidago virgaurea wirkt krampflösend und entzündungshemmend.
Und dann gibt es noch die beiden großen, weit verbreiteten, aber leider für diesen Zweck wirkungslosen Schwestern: die kanadische Goldrute und die Große Goldrute (Solidago canadensis L. und gigantea), die zwar die Menge des Urins (Primärharn) erhöhen, mehr können sie nicht. Das bedeutet, dass sie die Durchspülung der Harnwege verbessern, der Urin ist mehr verdünnt. Gut, um Nierensteinen und Blasengrieß vorzubeugen. Wenn die Frau aber nicht im negativen Sinne “steinreich” ist, sondern unter Entzündungen leidet, hilft ihr das nicht. Diese beiden Goldrutenarten nützen gar nichts, wenn erst einmal Bakterien in der Blase sind. Die großen Schwestern von Aschenputtel, denen der Schuh nicht passt.
Mit viel Klicken auf der Seite war zu keiner einzigen Pflanze ein botanischer Name zu finden. Echte Goldrute ist teuer, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Ich hoffe nur sehr, dass dahinter keine bösartige Profitgier auf dem Rücken kranker Frauen steckt, sondern nur grundlegende Unkenntnis über Heilpflanzen. Aber wenn mir niemand sagt, welche Pflanze eigentlich in dem Beutel ist, dann vermute ich als Fachfrau keinen wirksamen Heiltee.
Die Heilpflanzen in Teemischungen sollten zusammenpassen
Der schlechte Eindruck verfestigte sich beim „Antidepressionstee für die Wechseljahre“, der unter anderem Johanniskrautblüten enthält. Welches Johanniskraut? Wieder Fehlanzeige! Wer weiß schon, dass wir 11 heimische Arten haben. Nur eine Art, das Echte Johanniskraut (Hypericum perforatum), besitzt die entscheidenden Wirkstoffe wie Hypericin, die das Gemüt aufhellen und den Geist erhellen. Dieser Tee, der unter anderem auch den Wurzelstock der Traubensilberkerze enthielt, sollte 10 Minuten ziehen.
Ich habe gelernt, dass Hypericin und Hyperforin temperaturempfindlich sind. Ein fachgerecht zubereiteter Tee aus Johanniskrautblüten muss nach vier, spätestens fünf Minuten in eine neue, kalte Tasse oder Kanne umgegossen werden. Das senkt die Temperatur. Die Wirkstoffe bleiben erhalten. Grobe Teebestandteile wie Wurzeln, Rindenstücke und Samen müssen lange ziehen (mindestens 10 Minuten), da sie ihre Wirkstoffe nicht so leicht abgeben. Im Zweifelsfall wird daraus ein Dekokt (Abkochung) zubereitet. Für temperaturempfindliche Stoffe wie Hypericin ist das Abkochen auf dem Herd bei kleiner Flamme tödlich. Es handelt sich also um eine Mischung, die als Tee nicht wirklich funktionieren kann. Außerdem sind viele Inhaltsstoffe des Traubensilberkerzenwurzelstocks fettlöslich und brauchen ein anderes Extraktionsmittel als heißes Wasser, um aus den harten Wurzelstücken zu kommen. …. Dumm gelaufen! Die Traubensilberkerze ist eine wunderbare Pflanze bei bestimmten Wechseljahresbeschwerden, vor allem bei Durch-Schlafstörungen, aber nicht als Teezubereitung. Solche Oberflächlichkeit bringt die Phytotherapie in Verruf!
Nicht immer sind die schönen Heilpflanzen die starken.
Damit sind die drei Betreiberinnen dieser hübschen Website nicht allein. Sogar eine Pharmafirma hat sich vor einiger Zeit auf diesem Gebiet ein Ei gelegt: Die Anzeige in der Gyn-Depesche muss einiges gekostet haben. Die Werbung sagt: reiner Extrakt aus echtem Goldrutenkraut. Das Präparat selbst ist botanisch korrekt und eindeutig mit Extrakt und Droge-Extrakt-Verhältnis deklariert, wie es für ein Phytopharmakon (Arzneimittel aus Heilpflanzen) vorgeschrieben ist. Nur leider ist auf dem Werbefoto eine kanadische Goldrute fotogen vor der Packung drapiert. Womit wir wieder bei den im Märchen mit schönen Kleidern aufgehübschten großen Schwestern wären. Die echte Goldrute ist nicht so fotogen, jedenfalls nicht aus der Ferne, das Aschenputtel der Familie. Weniger Blüten, nicht dieses üppige Gelb der Rispe, da habe ich schon Verständnis für den Webefuzzi, der sich nicht mit dem Makroobjektiv auf die Suche nach der feinen Schönheit der echten Goldrute macht. Es ist eben einfacher, schnell etwas Schickes zu kreieren, als saubere Phytotherapie zu betreiben. Nicht gerade ein vertrauensbildender Moment für die Kollegen, die sich mit Arzneipflanzen beschäftigen. Ich habe die Pharmareferentin auf diese Anzeige angesprochen: “Huch, das hatten wir gar nicht bemerkt…”
Teeeier sind ein Verbrechen gegen den Heilpflanzentee.
Aber was mich an der Website der hippen Gründerinnen am meisten geärgert hat: Auf jeder Seite wurde versucht, mir ein Teeglas mit integriertem Tee-Ei anzudrehen. Ein Mikrogefäß, durch das man das heiße Wasser gießen kann. Sieht großartig aus, ist aber auch ein Reinfall. Bei Friesen und Emsländern weiß schon der Nachwuchs: Tee braucht Platz, um sich zu entfalten. Die Blätter müssen sich im Wasser bewegen können, um Aroma und Wirkstoffe abzugeben. Anna hat sich schon mit 4 Jahren bei einem Besuch unbeliebt gemacht. Erst in der Küche beim Anblick eines Tee-Eis der Ausruf: „Mama, schau mal, ein Tee-Gefängnis!“ Und später im Wohnzimmer beim Anblick eines Laufstalls: „Guck mal, ein Kindergefängnis!“
Annas Mutter verdrehte die Augen: “DIESES KIND GEHÖRT NICHT ZU MIR…”. Ich fand: Die Kleine hat es gecheckt, da können die Startup-Damen noch was lernen.
Die Website hat von mir keinen Daumen nach oben bekommen und das war der Anlass, für die Kolleginnen wieder mehr Kurse über Heilpflanzen zu geben. Wenn Phytotherapie, dann bitte richtig.
Was können Sie selbst tun, damit Heilpflanzentees bei Ihnen wirken?
- Heilpflanzen in guter Qualität kaufen: Botanisch eindeutig definierte Pflanzen verwenden und nur bei Anbietern kaufen, die garantieren können, dass genau die richtige Heilpflanze, der richtige Pflanzenteil (für die jeweilige Erkrankung) und zwar so, dass die Wirkstoffe nicht vorzeitig verfliegen oder abgebaut werden, über den Ladentisch geht. Das sind in erster Linie die Apotheken, die mit den Vorschriften des Deutschen Arzneimittelbuches (DAB) sehr klare und gute Qualitätsvorgaben für Heilpflanzen haben. Daneben gibt es noch andere Bezugsquellen, wie z.B. den Fachhandel, bei dem man sich beraten lassen kann, oder Menschen, die Heilpflanzen fachkundig selbst anbauen… Aber wenn Ihnen jemand nicht den botanischen Vor- und Nachnamen einer Pflanze nennen kann, geben Sie Ihr Geld bitte woanders aus.
- Heilkräutertee immer zugedeckt ziehen lassen, damit die ätherischen Öle nicht verdampfen. Sonst riecht es zwar gut in der Küche, aber die flüchtigen Aromastoffe sind verflogen und nicht mehr im Tee.
- Lassen Sie Ihrem Tee Platz: Entweder in einem großen Teesieb oder frei schwimmen lassen und durch ein Sieb gießen. Nehmen Sie die Beine in die Hand, wenn Ihnen jemand ein Tee-Ei oder einen Tee-Stick mit winzigen Löchern anbietet, der dann auch noch frei in einem offenen Teeglas stehen soll. Es sei denn, man möchte einen reinen „Genusstee“ trinken, wie zum Beispiel Rooibos-Vanille-Rhabarber-Creme. Aber das ist keine Heilpflanzentherapie, und bei so einem Gebräu laufe ich weg! Das ist für mich wie Fahrstuhl-Dudelmusik, schrecklich! Wenn Sie meinen Newsletter regelmäßig lesen, wissen Sie, dass ich echte, handgemachte Musik mit Leidenschaft und Energie liebe.
Ich wünsche Ihnen einen gesunden Tag
Ihre Dr. Dorothee Struck
Wie Sie mit mir arbeiten können, wenn Sie Heilpflanzen für sich nutzen möchten:
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Hypnose, Heilpflanzen & Hormone

Von Dr. med. Dorothee Struck
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*Ich schreibe in der weiblichen Form, da ich selber eine Frau bin und aus Sicht einer Frau im Gesundheitssystem heraus agiere. Da ich noch keine lesefreundliche Form gefunden habe, meine ich explizit alle anderen Geschlechter ebenfalls mit dieser Ansprache.